Christina Stübner Carlsplatzblume
Es sind die Händler*innen, die unserem Carlsplatz sein Gesicht geben. Wir sprachen mit vier Menschen, die täglich auf dem Markt arbeiten und deren Familienhistorien teils über 80 Jahre auf dem Carlsplatz verankert sind. Wie erlebt die aktuelle Generation den Markt? Was war früher besser und was bringt die Zukunft?
Interview mit Christina Stübner
von der Carlsplatzblume
Beschreiben Sie in kurzen Worten Ihr Sortiment.
Bei uns dreht sich alles um die Schnittblume. Wir haben eine sehr große Auswahl an regionalen und saisonalen Blumen, wie zuletzt die Pfingstrose oder aber Tulpen im Frühjahr. Ergänzt wird das Ganze durch ein kleines Sortiment an Topfpflanzen.
Seit wann sind Sie auf dem Carlsplatz?
Ich bin schon immer auf dem Carlsplatz. 2015 habe ich das Geschäft von meinen Eltern übernommen. Meine Ur-Oma war tatsächlich mit eine der ersten Händlerinnen auf dem Markt und ich bin somit jetzt in der vierten Generation auf dem Carlsplatz. Das macht mich ein wenig stolz. Meine Urgroßeltern haben in den 1930er Jahren den Markt mit aufgebaut. Sie sind dann etwa 1940 aus Anlass des Bunkerbaus zum Schwanenmarkt ausquartiert worden und mit allen Händlern um 1946 auf den Carlsplatz zurückgekehrt. Zu dieser Zeit lagen auf dem Markt zum Teil noch riesige Schuttberge von den zerbombten Nachbarhäusern. Meine Oma ist in der Nachfolge schon seit den 50ern auf dem Markt. Dann haben meine Eltern ihre mittlerweile zwei Stände übernommen. Auch meine Eltern mussten übrigens 1998 mit dem Carlsplatz umziehen. Damals aber Gott sei Dank aus „friedlichen Gründen“. Von etwa März bis Ende Oktober 1998 wurde der Marktplatz saniert und die heutige Glasüberdachung errichtet, finanziert durch die Händlergemeinschaft auf dem Carlsplatz. Ich habe mich mit der Übernahme auf einen Stand, meinen jetzigen Platz, etwas verkleinert.
Wissen Sie, wer vorher auf Ihrem Marktplatz war?
Wir waren immer schon auf unserer Fläche. Da ich die beiden Stände 2015 alleine übernommen habe und mir das zu viel war, habe ich einen Platz abgegeben. An diesem Standplatz gleich gegenüber, betreibt Feinkost Fladi seitdem sein Geschäft. So habe ich heutzutage die richtige Größe für mein Geschäft und superliebe Nachbarn dazu gewonnen.
Wie kam es dazu, den Stand auf dem Carlsplatz zu betreiben? Oder stellte sich diese Frage für Sie gar nicht?
Die Frage stellte sich eigentlich nicht. Ich habe eine Ausbildung zur Floristin gemacht und danach eine Zeitlang bei meinen Eltern gearbeitet. Aber wie das so ist mit den Kindern und den Eltern – irgendwann gehen die Interessen und Vorstellungen auseinander. Meine Eltern wollten dann etwas kürzertreten und wir haben uns dazu entschlossen, dass ich den Stand übernehme.
Was bedeutet Ihnen der Markt persönlich?
Wenn man bedenkt, wie viele Stunden ich hier bin und wieviel Zeit ich hier verbringe, kann man schon sagen, dass es mein Lebensinhalt ist. Es ist der Lebensmittelpunkt.
Wieviele Stunden sind sie wöchentlich etwa auf dem Markt?
Früher, als ich jung war, waren es sicherlich auch mal 70–80 Stunden pro Woche. Als ich den Stand 2015 übernahm, war mein großer Sohn gerade geboren, da waren wir praktisch immer da. Eigentlich ist mein Sohn, genau wie ich damals, auf dem Markt groß geworden. Er musste einfach immer mit. Mittlerweile sind wir ein Superteam an meinem Stand, so dass es jetzt noch so etwa 50 Stunden sind. Es ist schon moderater geworden. Es ist aber nicht nur die Zeit auf dem Markt. Ich muss den Einkauf machen, Bestellungen bearbeiten, Rechnungen schreiben und mich um die Buchführung kümmern.
Was schätzen Sie am Carlsplatz am meisten?
Dass er so vielfältig ist. Es hat sich viel getan in den letzten Jahren. Früher war es ein reiner Markt. Heutzutage ist es ein Treffpunkt. Es geht nicht mehr nur ums reine Einkaufen, sondern auch um „Entertainment“. Ich finde das schön. Zeiten ändern sich halt. Sicherlich gibt es noch viele Wochenmärkte, die zweimal die Woche von morgens bis mittags stattfinden. Das kann man so nicht mehr mit uns vergleichen. Es ist immer was los, man trifft immer jemanden. Das ist das Schöne.
Was lieben Sie am meisten an Ihrer Arbeit?
Das kreative Arbeiten. Viele haben ein falsches Bild der Floristin: Man bindet ein bisschen Blümchen und fertig. Es steckt aber viel Arbeit dahinter. Ich bin sehr pingelig und achte immer darauf, dass es sauber bei uns ist. Das gehört eben auch dazu. Ich mache alle Bereiche gerne. Wenn man kreativ arbeiten darf, ist das schon besonders. Heutzutage hat man eine sehr große Auswahl an Produkten, die dies ermöglicht. Man kann aus den Vollen schöpfen und sich aussuchen, worauf man gerade Lust hat. Das macht Spaß.
An welchem Stand gehen Sie am liebsten einkaufen?
Es ist schwierig sich festzulegen. Ich kaufe meine Wurst beim Stüttgen, mein Brot beim Schüren. Bei Albors von Feinkost Fladi gibt es immer was Leckeres, Mittagessen bei Domenico von Casa Cortilla. Eigentlich ist man überall, die Mischung macht es. Es ist für jeden etwas dabei.
Wie würden Sie die Entwicklung des Marktes von damals zu heute beschreiben?
Früher war es ein reiner Wochenmarkt. Das sind wir in der Form nicht mehr. Alleine, wenn man sich die Öffnungszeiten ansieht. Ein Wochenmarkt geht um sechs Uhr los und endet um 13 Uhr. Das sind Dinge, die heute gar nicht mehr gegeben sind. Wir sind unter der Woche bis 18 Uhr da, am Samstag bis 16 Uhr. Das hat auch dazu geführt, dass die Leute nicht mehr nur zum Einkaufen kommen, sondern auch zur Unterhaltung. Ich finde das nicht schlimm, es ist ein Nehmen und Geben. Man hat mittlerweile viel Gastronomie hier. Alleine eine große Auswahl reicht heute nicht mehr. In jedem Edeka gibt es auch eine große Auswahl. Früher war das anders, da waren viele Selbstversorger hier. Aber da hatten die Supermärkte auch noch ein anderes Angebot. Man muss mit der Zeit gehen und den Kunden mehr bieten.
Gibt es Kunden oder besondere Erlebnisse, die Ihnen in der Zeit im Kopf hängen geblieben sind? Was war Ihr besonderster Moment auf dem Markt?
Wir haben sehr viele liebe Stammkunden. Die kommen jede Woche, man kennt sich, man kennt die Hintergründe und man quatscht auch mal zehn Minuten. Das passiert bei der Supermarktverkäuferin sicherlich seltener, weil sie keine Zeit dazu hat. Bei uns kennt man die Namen der Kunden. Teilweise haben schon die Eltern unserer Kunden bei meinen Eltern eingekauft. Jetzt kommen die Kinder, die in meinem Alter sind und kaufen bei uns. Man hat Beziehungen zu den Kunden, es ist sehr familiär.
Was bringt die Zukunft?
Das ist schwer zu sagen. Zu Coronazeiten dachte man, die Welt bricht zusammen, obwohl die Zeit wirtschaftlich nicht so schlimm für uns war. Es war sehr nervenzehrend, wir wussten lange nicht, wie es weitergeht: Dürfen wir aufmachen, dürfen wir nicht aufmachen? Wir hatten sehr viel zu tun, weil die Leute nirgendwo hinkonnten. Die zwei Jahre waren sehr anstrengend, aber auch schön. Wir haben viele Neukunden gewonnen. Viele der Menschen haben die Zeit genutzt, es sich zu Hause schön zu machen. Jetzt sieht man aber, dass das genau ins Gegenteil umschlägt. Die Leute sind wieder viel unterwegs. Man weiß nicht, was kommt. Der Ukrainekrieg macht es auch nicht einfacher. Wenn es weiterläuft wie bisher, wäre ich sehr zufrieden. Planen ist derzeit schwierig, man kann nur hoffen, dass es gut geht und muss versuchen, sich auf neue Situationen einzustellen. Man kann nur weitermachen.
Was sind Ihre Wünsche an den Markt?
Wir sind hier über 60 Händler*innen auf der Fläche. Da ist es schwierig, allen Bedürfnissen immer gerecht zu werden. Die Interessen und die Einstellungen sind verschieden, was normal ist. Ich finde es allerdings schade, dass von gewissen Seiten gegengesteuert wird. Man kann nicht immer nur das Beste für sich rausholen, letztendlich sind wir eine Gemeinschaft. Es nützt nichts, wenn es nur mir gut geht, aber allen anderen geht es schlecht. Es ist wichtig, dass es dem gesamten Markt gut geht. Ich würde mir wünschen, dass wir alle gemeinsam noch stärker für den Markt zusammenhalten. Obwohl man auch dazusagen muss, dass sich die Situation im Vergleich zu vor ca. 10 Jahren bereits um ein Vielfaches verbessert hat und die Stimmung sehr viel angenehmer geworden ist. Man kann sagen: 90 % der Händler verstehen sich heutzutage gut miteinander.
Vielen Dank!